[bcg13] Sexismus am BarCamp Graz?

Das BarCamp Graz, das heuer wieder am FH Joanneum stattfand, war in vielerlei Hinsicht ein voller Erfolg. Darüber sind wir uns einig, und dafür haben wir uns in den letzten Tagen genug gelobt. Das ist ziemlich sicher wahr und bereitet einiges an Freude, vor allem, wenn man bedenkt, wie viel Energie in die Organisation gesteckt wurde.

Disclaimer: Ich bin Teil des Orga-Teams des BarCamp Graz, schreibe hier jedoch nicht für dieses.

Es sind aber leider ein paar Dinge passiert, die diese Freude mehr als nur ein wenig trüben. Ich möchte diese jedoch nicht als “Vorfälle” oder “Vorkommnisse” abtun, und daher Versuchen, eine Chronologie des Wochenendes aufzuschreiben und meine Sicht darauf darzustellen. Des weiteren möchte ich auf die Fehler eingehen, die wir aus Orga-Sicht vielleicht gemacht haben und die ich mir vor allem selbst vorwerfe. Abschließend möchte ich mögliche Schritte diskutieren, die wir im Nachhinein und als Vorbereitung auf kommende Events setzen können. Ich habe eine Woche damit gewartet, weil ich zumindest versuchen will, diesen Bericht möglichst objektiv zu halten, was mir nicht leicht fiel.

Don’t feed the trolls?

Angefangen hat es mit dem Übermalen eines am Camp verteilten Stickers des Referat für feministische Politik der ÖH, bzw. mit dem Twittern eines Fotos von dieser “Umgestaltung”:

Still not loving Antifeminism

Vom PolitCamp-Account und einer Teilnehmerin via Twitter darauf angesprochen rechtfertigte die agierende Personengruppe ihre Tat mit dem Argument der Meinungsfreiheit.

Meinungsfreiheit

Außerdem gab es als Antwort an die Teilnehmerin ein weiteres Foto mit einer Creeper Move Karte (“Creeper Card”).

Sexismus

Obwohl, oder gerade weil, es Aktionen dieser Art (nicht nur) im Internet zwar regelmäßig gibt, sorgten diese bei einigen Anwesenden für Unwohlbehagen. Nicht zuletzt, weil uns bewusst war, dass diese Personen nicht irgendwo anders auf der Welt sitzen, sondern im selben Gebäude oder gar im selben Raum.

Einen offiziellen Orga-Tweet und ein paar geblockte Accounts später stellte sich die Vermutung leider als richtig heraus. Eine Grenze wurde für mich mit diesem Tweet überschritten.

Objektifizierung

Außerdem hielt es jemand für kurze Zeit für nötig, den #bcg13-Hashtag zu spammen. Darauf wurde reagiert, indem die Twitter-Wall im Hauptraum für kurze Zeit abgeschaltet wurde (“den Trollen keine Plattform bieten”).

Spam

Am Abend persönlich darauf angesprochen rechtfertigte sich eine Person aus dieser Gruppe mit dem allseits beliebten Argument des Trollens.

Laut Wikipedia ist ein Troll jedoch..

“…eine Person, die Kommunikation im Internet fortgesetzt und auf destruktive Weise dadurch behindert, dass sie Beiträge verfasst, die sich auf die Provokation anderer Gesprächsteilnehmer beschränken und keinen sachbezogenen und konstruktiven Beitrag zur Diskussion darstellen.”

An dieser Stelle tue ich mir schwer, eine solche Aktion als Provokation oder gar “kindisch” abzutun.

Disclaimer: Ich habe mich aus verschiedenen Gründen entschlossen, die betroffenen Personen und Täter auf den Screenshots vorerst unkenntlich zu machen. Die meisten Tweets und Fotos sind jedoch noch in ihrer ursprünglichen Form online.

Im Schutz der Anonymität?

Am Sonntag war zwar zumindest eine der Personen von Samstag nicht mehr anwesend, die Tweets nahmen jedoch ihren Lauf. Aus welchen Gründen auch immer entschieden sich die Täter, dafür einen extra dafür erstellten und mittlerweile wieder gelöschten Account zu verwenden.

Anonym

Anonym

Trotz sofortigem Blockieren wurde die am Samstag betroffene Person persönlich erwähnt.

Anonym

Peace?

Am Montag und im Laufe der Woche gab es mehrere Mails und Tweets, die suggerierten, dass die “Vorfälle” vom Wochenende bereits “geklärt” und “ausgeredet” wurden. Soviel ich weiß ist dem nicht so, und mir ist auch nicht ganz klar, wie man so etwas so einfach “klären” kann. Flausch hilft oft, aber nicht immer.

Was lief falsch?

Offizielle Tweets und eine (allgemeine) Klarstellung waren wohl wichtige Worte, aber eben nur das. Auch die Durchsage bei der Eröffnung am Sonntag, bei der viele TeilnehmerInnen anwesend waren, war wichtig, aber zu wenig. Und zu spät. (Ob die Worte “Be Excellent to Each Other”, die in diesem Kontext öfters auftauchen, so optimal waren, ist auch so eine Frage.)

Wir, und auch ich als Teil des Orga Teams, hätten die Täter spätestens am Samstag Abend, wenn nicht sogar schon Samstag Mittag, mit ihren Taten konfrontieren müssen. Im Nachhinein betrachtet hätte das vielleicht bei manchen nichts genützt, hier wäre dann der Rauswurf ein meiner Meinung nach angebrachtes Mittel gewesen.

“Über die Grenzen einer Person haben Dritte nicht zu diskutieren. Punkt.” - @Lotterleben

Auch die (mehr oder weniger zufällige) “Aussprache” mit einer der beteiligten Personen am Ende der Party am Samstag war alles andere als optimal (und hat nichts gebracht). Es war wohl außerdem ein Fehler meinerseits, die Person in Anwesenheit einer betroffenen Person anzusprechen.

Keine Einsicht

Und was jetzt?

Das heurige BarCamp betreffend können wir nichts mehr ungeschehen machen. Wir können jedoch diese und ähnliche Taten sichtbar machen. Und klarmachen, dass so etwas nicht OK ist. Ich halte es außerdem für wichtig, Sexismus nicht kleinzureden.

Natürlich ist klar, dass “Vorfälle” wie diese am BarCamp nicht die Norm sind, das behauptet auch niemand. Es gibt solche Probleme jedoch. Noch viel zu oft. Nicht nur am BarCamp. Der 29c3 hat an meiner Sichtweise zusätzlich einiges geändert. Und jetzt eben erstmals auch eine von mir mitorganisierte Veranstaltung. Es ist außerdem Tatsache, dass Sexismus in vielen Formen in unserer Gesellschaft Alltag ist. Und das BarCamp, und die Menschen, aus denen es besteht, sind Teil dieser Gesellschaft. Genau das nimmt uns, und damit meine ich nicht nur das Orga Team, in die Pflicht, daran etwas zu ändern. Es darf meiner Meinung nach aber durchaus als Aufgabe des Orga Teams gesehen werden, den durch die Organisation geschaffenen Raum aktiv so zu beeinflussen, dass sich alle TeilnehmerInnen wohlfühlen. Das setzt auch aktives Ausschließen von Personen voraus, die sexistisch, rassistisch, oder sonst wie diskriminierend handeln. Und seien diese noch so die Ausnahme. Ob wir hierfür eine Policy oder ähnliches brauchen, diskutieren wir gerade.

Solche zukünftige Veranstaltungen betreffenden Dinge müssen wir jedoch auch aktiv kommunizieren. Das betrifft nicht nur das BarCamp, sondern bei mir persönlich derzeit vor allem die CryptoParty Graz. Ich weiß leider noch nicht wie und in welcher Form. Leider gibt es auch hier teilweise mangelnde Sensibilität gegenüber (alltäglichem) Sexismus.

Ein weiterer Aspekt, den wir diskutieren müssen, ist der Sexismus im virtuellen Raum. Das wird natürlich bereits an vielen Orten getan. Ich habe an diesem Wochenende (und auch am 29c3 im Dezember) auf direkte Art zu spüren gekommen, was es für ein Gefühl ist, wenn einem über die “Meta-Ebene Internet” solche Angriffe widerfahren, und man außer dem Blocken des betreffenden Accounts nichts tun kann, da man oft nicht weiß, welche Person dahinter steckt. Das war am BarCamp bei den Tweets am Sonntag der Fall, da wir hier teilweise keine Ahnung haben, von wem diese stammen. Das ist unangenehm, wenn diese Tweets “von Weitem” kommen, aber erst recht, wenn man dazu das Bewusstsein bekommt, dass diese Leute gerade auch auf der selben Veranstaltung sind. Wie man damit umgeht weiß ich derzeit leider auch nicht so wirklich.

Update, 7. Mai:

Wir haben am Orga-Meeting heute ziemlich lange und teilweise emotional über das Thema geredet. Teilweise war es bisher einzelnen Orga-Mitgliedern noch nicht klar, was genau vorgefallen ist. Es gibt im Orga-Team einen Konsens, dass ein solches Verhalten am BarCamp Graz nicht erwünscht ist. Als konkrete Reaktion auf die nicht mehr ungeschehen zu machenden Ereignisse am BarCamp halten wir es für wichtig, das noch einmal konkret zu kommunizieren, und werden dies auch in den nächsten Tagen tun.

Als weitere Konsequenz aus dem heurigen BarCamp wird das BarCamp Graz eine Anti-Harassment Policy bekommen, um mit solchen Vorfällen in Zukunft besser umgehen zu können und noch einmal deutlich zu machen, dass Sexismus in jeglicher Form nicht erwünscht ist. Außerdem werden wir in der Planung des nächsten BarCamp diskutieren, wie wir diese Policy konkret umsetzen können. Damit auf Worte auch Taten folgen.

Update, 11. Mai:

Mahriah hat darüber gebloggt und das Wochenende aus ihrer Sicht dokumentiert. (Danke!)

Update, 12. Mai:

Max hat kurz klargestellt, wie es zum Missverständnis mit der vermeintlichen Klärung gekommen ist. Außerdem ist unser Statement am BarCamp Blog endlich online.

Update, 13. Mai:

Marc, ebenfalls Teil des Orga-Teams, hat das Wochenende nochmal aus seiner Sicht im Detail geschildert.

Update, 21. Mai:

Ich habe mir ein paar Gedanken zu Verantwortung in hierarchiefreien Räumen, vor allem auf BarCamps, gemacht.

Update, 31. Mai:

Mahriah hat Radio Helsinki letzte Woche ein Interview gegeben.

06.05.2013