Ist der Verlust der Kontrolle über die eigenen sozialen Daten im Web 2.0 wirklich alternativlos? Muss man sich wirklich analysieren lassen, um die vorteile von Facebook, Twitter und co nutzen zu können?
(Crosspost meines sechsten Artikels aus dem Lehrveranstaltungs-Blog von Gesellschaftliche Aspekte der Informationstechnologie.)
Die re:publica ist eine seit 2007 jährlich in Berlin stattfindende “Internet-Konferenz”. Waren dort anfangs vor allem Themen rund um Social Media und Web 2.0 zu finden, hat sich dies das Themenfeld mittlerweile deutlich verbreitert, wie das Programm von heuer zeigt. Wie es sich für eine Konferenz im Jahr 2014 gehört, wurden die meisten Bühnen nicht nur live gestreamt, sondern auch aufgezeichnet. Einige dieser Aufzeichnungen sind bereits auf YouTube online (für Netzpolitik-Interessierte gibt’s hier ein paar interessante Talks zusammengefasst).
Obwohl es wesentlich mehr spannende Vorträge zu sehen gab, möchte ich mich im folgenden auf ein Thema konzentrieren: Dezentralität, konkreter, Dezentrale Soziale Netzwerke. Dafür sind vor allem folgende zwei Vorträge relevant: einführend Web 1.0 + 2.0 remixen von Jonas Westphal und teilweise darauf aufbauend Dezentrale Social Networks von Michael Seemann.
Die meisten von uns nutzen heute das eine oder andere soziale Netzwerk, und selbst wenn nicht alle über einen Facebook Account verfügen, sind wir uns im Wesentliche einig, dass diese durchaus praktisch sind. Spätestens für die Vernetzung auf der Uni, aber auch oft im beruflichen Bereich, kommt man nur mehr schwer ohne Facebook, Twitter, LinkedIn, Xing und co aus. Und auch im privaten Leben nehmen soziale Netzwerke eine immer zentralere Position ein, und können auch sehr unterhaltsam sein (zB Tumblr & Soup). Diese großen, meist US-amerikanischen, Dienste haben jedoch auch eine Reihe von Nachteilen, die jedeR für sich gegenüber den Vorteilen abwiegen muss.
Ein offensichtlicher Nachteil (und für diese Gruppe wohl der Relevanteste) ist der Datenschutz. Ist der Status erst einmal eingegeben oder das Bild hochgeladen sollen zwar AGB und Datenschutzbedingungen sicherstellen, dass diese nur rechtsgemäß verwendet werden. Was jedoch in diesen Bedingungen wirklich steht wissen nur die Wenigsten, und selbst wenn sind wir all zu oft bereit, Kompromisse einzugehen, weil jetzt haben wir ja schon unsere 200 “FreundInnen”, 1500 Bilder und 30000 Tweets.
Was mich schon zum nächsten Problem führt: Die Kontrolle über die Daten. All zu oft geben wir diese Kontrolle nämlich ab, weil wir keine Wahl haben. Es ist für die meisten von uns selbstverständlich, dass es bei Facebook zwar 15 verschiedene Import-Funktionen für alle möglichen Daten gibt, aber quasi keine Möglichkeit, diese Daten auch wieder exportieren zu können. Und das macht uns eben abhängig. Das kann natürlich so sein, und ist auch andernorts oft nicht besser, muss jedoch nicht so sein.
Dezentrale soziale Netzwerke wollen hier Abhilfe schaffen.
Zwar ist es immer noch alles andere als eine Selbstverständlichkeit, einen Server zu Hause zu haben (obwohl es immer mehr Projekte gibt, die dies fördern wollen, wie zum Beispiel die Freedombox oder IndieBox). Das muss jedoch nicht sein. Für den Anfang würde es reichen, wenn die großen, etablierten sozialen Netzwerke auch eine Export-Funktion (in einem maschinenlesbaren, standardisiertem Format!) anbieten würden, wie es beispielsweise Google mit Takeout versucht.
Da man dies von gewinnorientierten Unternehmen jedoch schwer erwarten kann, dass sie so etwas von selbst einführen, könnte man hier mit Gesetzen und Regulierungen nachhelfen. Oder man geht einen Schritt weiter, und baut selbst etwas auf.
Einer der verbreitesten dezentralen Services im Internet ist E-Mail. Hier sieht man relativ gut, dass es nicht notwendig ist, in jeder Wohnung dieser Welt einen Server stehen zu haben. Offene Standards und Protokolle ermöglichen dennoch eine extrem hohe Dezentralität. Natürlich ist E-Mail um einiges weniger komplex als social Networking, und eine derart hohe Dezentralität wäre auch gar nicht notwendig. Vielmehr geht es darum, der vermeintlichen “Alternativlosigkeit” eine Abfuhrt zu erteilen, und sich Alternativen zu schaffen.
Natürlich schaut die Realität wie immer etwas Komplexer aus, und natürlich spielen in der Welt der sozialen Netzwerke noch einige andere Dynamiken eine Rolle. Dieser Post soll daher keine Allumfassende Zusammenfassung sein, sondern zur Diskussion so wie näheren Beschäftigung mit der Thematik einladen.